2012
Preisträger:innen
Fritz Eckenga ist viel unterwegs. Wenn nicht, bewohnt er einen blickdichten Teil der Stadt Dortmund. Dort bemüht er sich, das aggressive Wachstum seines Liebstöckelbusches zu begrenzen. Ausgleich zu dieser harten körperlichen Arbeit findet er abwechselnd an seinen Kochtöpfen und auf der Westtribüne des Westfalenstadions, ebenfalls in Dortmund. Und im Radio natürlich. Fritz Eckenga hegt und pflegt dieses Medium mit seinen Kolumnen, Moderationen, Satiren und Gedichten. Regelmäßig mittwochs gibt es auf WDR2 den Fußballmanager A., im SWR heißt seine Glosse «Mein Freund ist aus Leder» und in WDR5 moderiert er ein Literatur-Magazin mit dem Namen «SpielArt». Außerdem bedichtet er zahlreiche Sender. Natürlich schreibt Fritz Eckenga auch Bücher und bespielt landauf, landab die Kleinkunstbühnen – zur Zeit mit seinem neuen Programm: «Alle Zeitfenster auf Kippe».
Legendär ist Fritz Eckenga, Jahrgang 1955, eigentlich schon seit den 70er Jahren. Als Mitbegründer und Hauptdarsteller sorgte er mit dem musikalischen Kabarett-Projekt «Rocktheater N8schicht» auf den Bühnen des Ruhrgebietes und im Fernsehen für Furore. Jetzt ist er als Solist unterwegs.
«Ein Wort liebt das andere», dieser Satz ist Fritz Eckenga Auftrag und Verpflichtung zugleich. Er ist ein wahrer Liebhaber der deutschen Sprache. Seine Spezialität sind absurd-komische Alltagsgeschichten, die er bisweilen auch zu Lyrik verarbeitet. Dafür wurde ihm unter anderem der Nieheimer Schuhu und 2011 der Literaturpreis Ruhr verliehen. In der Jurybegründung dazu heißt es: «Eckengas Gedichtbände (seit 2002 vier Bände im Münchener Kunstmann-Verlag) decken ein breites Themenspektrum der wirklich wichtigen Dinge des Lebens ab: natürlich Sport (insbesondere Fußball), Politik und Politiker, aber auch einfache und schwierige Liebesbeziehungen und Gedanken über das Dichten selbst.» Und: Eckenga erweise sich als Meister des wohlklingenden Paarreims, mit dem er häufig überraschend neue Zusammenhänge herstelle. Und er beherrsche virtuos geschliffene Wendungen der Regionalsprache. Seine Lebensklugheit erinnere an die Erich Kästners. Diesem Urteil vermochte sich auch der Salzburger Stier nicht zu verschließen: 2012 wird der internationale Radio-Kabarettpreis an Fritz Eckenga verliehen.
Geboren ist er als Gernot Jedliċka in Oberösterreich. Nach der Ausbildung am Konservatorium der Stadt Wien war er «Diplomierter Musical- und Operettendarsteller mit staatlicher Empfehlung zum Chansongesang» und wurde rasch, wie er heute sagt, zum «Beute-Wiener». Doch an die Karriere eines Künstlers namens Jedliċka wollte im Wien der späten 1980er Jahre niemand so recht glauben. Also startete er als Viktor Gernot seine künstlerische Reise und eroberte für sich die unterschiedlichsten Genres.
Für seinen Einsatz als Musicaldarsteller wurde er 1996 mit dem ersten deutschen Musicalaward «I.M.A.G.E.» ausgezeichnet. Er wirkte in der ORF Comedy-Serie «Die kranken Schwestern» mit, die 1997 den österreichischen Fernsehpreis «Romy» erhielt. Ab Mitte der 1990er Jahre gehörte er der Kabarettgruppe «Die Hektiker» an und brachte gemeinsam mit Florian Scheuba, Werner Sobotka und Wolfgang Pissecker vier Programme auf die Bühne. Viktor Gernot war mit dabei, als «Shakespeares Sämtliche Werke – leicht gekürzt» aufgeführt wurden, spielte in diversen ORF TV-Comedy-Formaten und Filmproduktionen mit, war Moderator und gab den Leopold im «Weißen Rössl» ebenso wie den Conférencier und Ensemble-Spieler im traditionellen Wiener Kabarett Simpl.
Nach geschätzten fünf Jahren netto Probezeiten und weit mehr als 3000 Vorstellungen als Musicaldarsteller, Schauspieler, Sänger, Ensemblekabarettist, Interviewer, Fernsehmoderator und Musiker war Viktor Gernot bereit für individuellere Abenteuer. Sein erstes Solo als Kabarettist lieferte er 2003 mit «Freistil» ab. Im Duo mit Michael Niavarani entstanden Programme, wie «Gefühlsecht – Ein Abend unter Freunden» und «2 Musterknaben». Viktor Gernot ging mit seiner Band «His Best Friends» als Sänger auf Tour, etablierte sich als Solokabarettist und stellte 2007 sein Programm «Grätznfest» vor.
Medienverirrungen, Modetorheiten, Missverständnisse im komplizierten Beziehungsgeflecht zwischen Mann und Frau und ganz simple Alltagsärgernisse unterzieht Viktor Gernot auf der Bühne gerne einer satirischen Bewertung. Sein handwerkliches Können ermöglicht ihm vielfältige Improvisationen auf höchstem Niveau. Sprache, Gesang und der Schmäh des «Beute-Wieners» sind die Zutaten seiner kabarettistischen Miniaturen, die er gerne unter der Kategorie Freistil eingereiht sehen möchte. Seit März 2011 spielt Viktor Gernot seine Werkschau «Viktor Gernot ist nicht ganz allein!».
Der große musikalische Komiker, wie ihn die «Zeit» bezeichnet, ist der Leiseste unter den Leisen – und gerade darum unüberhörbar. Was der Minimalist des Mimischen auf die Bühne zaubert, ist Kunst der exzessiven Untertreibung. Kienberger, der wieselig-wuselige Hotelsohn aus dem Engadin, ist Musiker, Schauspieler und Geschichten-Erzähler. Seine melancholisch-fragilen Geschichten handeln oft von «gebremster Verzweiflung», wie Kienberger seine Texte selber bezeichnet. Wenn seine glockenreine Kopfstimme ertönt, wartet man auf Engel, die den markanten Lockenschopf des Silser Sängerknaben umflattern. Aber nichts dergleichen passiert, dafür tauchen aus Abgründen verschrobene Gestalten mit misslungenen Geschichten auf. Es sind fast immer Geschichten des Scheiterns, die Kienberger erzählt, denn der geniale Komiker weiß nur zu gut, dass nichts so komisch, nichts so fesselnd ist wie das Scheitern und die zärtliche Verzweiflung. Seine Kleinkunst ist ganz groß – und gefragt von den wichtigsten Regisseuren und Bühnen im deutschsprachigen Raum.
Sich selber bezeichnet Jürg Kienberger als «Musikspieler», den die Töne unweigerlich in Figuren und Geschichten hineintreiben. Er entwickelte eine eigene Form des Musiktheaters, die mit dem Etikett «Liederabend» oder «Kabarett» nur unzureichend beschrieben wird.
Jürg Kienberger wurde 1958 im Hotel Waldhaus in Sils Maria geboren, in welchem das Hotel-Orchester seine neugierigen Ohren mit Kaffeehaus-Musik erfüllte. Nach Reisejahren, Germanistik-Studium und Gelegenheitsarbeiten wurde Kienberger Theatermusiker. Er lernte Christoph Marthaler kennen, mit dem er jahrelang als Musiker und Schauspieler zusammenarbeitete. Von 1992 bis 1997 war er Ensemblemitglied bei Frank Castorf an der Volksbühne Berlin, 2000 bis 2005 bei Marthaler am Schauspielhaus Zürich. Verschiedene Bühnenproduktion entstanden in der Zusammenarbeit mit Ueli Jäggi und Wolfram Berger («Die Wiederkäuer») sowie mit Ruedi Häusermann. Alle seine solistischen Stücke und Programme hat Jürg Kienberger zusammen mit seiner kongenialen Partnerin Claudia Carigiet entwickelt: «Heisse Rhythmen, heisse Kienberger, freut mich» (Liederabend, 1995), «Ich bin ja so allein – ein Abend der gebremsten Verzweiflung» (1998), «Menschsein macht müde» (2001) und «Ich Biene, ergo summ» (2010).